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Das literarische Programm der diesjährigen Reichelsheimer Märchen- und Sagentage besteht aus Lesungen, Vorträgen zur Märchenforschung und
zahlreichen Beiträgen von Märchenerzählern. Die Märchenerzähler vorwiegend im Märchenzelt, an vielen Stellen des Mittelaltermarktes und bei der “Langen Nacht der Märchen” am Freitagabend.
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Die Vorträge beginnen in diesem Jahr bereits am Donnerstag. Das Frauenfrühstück der Evangelischen Michaelsgemeinde steht ganz im Zeichen der
Märchentage: Sigrid Früh, eine der bekanntesten Märchenerzählerinnen und -forscherinnen, die auch im letzten Jahr Kinder- und Erwachsene begeisterte, spricht zum Thema “Warum brauchen Kinder Märchen” und
liegt damit ganz auf der Linie des bekannten Psychologen Bruno Bettelheim.
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Am Abend folgt in der Michaelskirche ein Beitrag des Wildweibchenpreisträgers Hans-Christian Kirsch, der bereits seit vielen Jahren
Besucher und Berater der Märchentage ist, mit dem Titel “Feenglaube und die Anderswelt der Kelten”. Neben Märchen und Mythen vom amerikanischen Kontinent gehören Forschungen und Geschichten aus Irland zum
Schwerpunkt seiner Arbeit. Große Bedeutung hat in den irischen Märchen die Anderswelt, die auch “Insel der Seligen” oder “Land der ewigen Jugend” oder “Land der Frauen” heißt und von Feen bewohnt wird, denen man
geheimes Wissen, ein Dasein außerhalb von Zeit und Raum und die Fähigkeit Leben zu retten oder zu beenden nachsagt. Dieser interessante Vortrag wird von Harfenmusik durch Ulrich Knopp aus Mühltal begleitet.
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Neu in diesem Jahr ist die Vortragsreihe, die am Samstagvormittag stattfindet. Sie wendet sich an alle, die sich für Märchenforschung
interessieren, also sowohl an Fachpublikum aus dem Bereich der Schulen, Fachhochschulen und Universitäten als auch an Hobbyforscher und interessierte Laien.
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Die Reihe der Vorträge wird eröffnet durch Prof. Dr. Wilhelm Solms, zuletzt Professor für Neuere Deutsche Literatur und Mediendidaktik an
der Universität Marburg, lange Zeit Vizepräsident der Europäischen Märchengesellschaft, Leiter und Organisator vieler Literaturforen und nicht zuletzt bekannt durch viele Publikationen und Beiträge zur
germanistischen Märchenforschung. Er untersucht die Bedeutung der "Drei Wünsche im Märchen".
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Ihm folgt als Referent Prof. Dr. Hans-Jörg Uther
zum Thema "Märchen als europäisches Kulturgut". Professor Uther lehrt an der Universität Essen, ist tätig in der Redaktion der "Enzyklopädie des Märchens" und Herausgeber zahlreicher Märchen- und Sagensammlungen, darunter eine kommentierte Ausgabe der Grimmschen "Kinder- und Hausmärchen".
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Den letzten Beitrag dieser Reihe liefert Frau Dr. Heide Göttner-Abendroth, eine freie Wissenschaftlerin, die sich mit Frauenforschung und
Gesellschaftsentwürfen befasst und als Begründerin der modernen Matriarchatsforschung gilt. Lehraufträge an deutschen und internationalen Universitäten, zahlreiche Veröffentlichungen und die von ihr gegründete
Bildungsstätte HAGIA haben ihren Ruf begründet. Der Titel ihres Vortrags lautet "Matriarchale Muster im Märchen".
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Die Vortragsreihe hat im Rahmen der diesjährigen Märchentage ein besonderes Gewicht und gilt als einer der Schwerpunkte.
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Programmpunkte der besonderen Art, bei denen märchenhafte Inhalte mit theoretischen Überlegungen vermischt werden, sind die Berichte von
Wolfgang Krege und Rotraud Saeki.
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Wolfang Krege
hat die Trilogie von J.R.R. Tolkien "Herr der Ringe", die seit den 60er Jahren Millionen Leser gefunden hat und schon damals zum Kultbuch der Studentengeneration anvancierte, neu übersetzt. Während die alte Übersetzung von Margaret Carroux, die vor mehr als 30 Jahren erschienen ist, dem englischen Original sehr nah geblieben ist, soll der neue Text ein gewisses Eigenleben innerhalb der Spielräume der deutschen Sprache zeigen und den heutigen Leser durch Tempo und Kontraste fesseln. Hans Christian Kirsch wird in den Vortrag einführen.
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Rotraud Saeki
kommt aus Japan und schon das ist für die Reichelsheimer Märchen- und Sagentage eine Sensation. Der erste Kontakt mit ihr kam über die Ausstelleradressen der Frankfurter Buchmesse, zu denen auch die e-Mail-Adresse des Verlages Ellen Schmid gehörte, zustande. Schnell entstand der Wunsch, in Reichelsheim einmal dabei zu sein, der sich jetzt verwirklichen und mit einer privaten Reise verbinden ließ. Die Autorin lebt seit 31 Jahren in Japan und hat im Jahr 2000 ein Buch über Märchen und Sagen von den Miyako-Inseln , denen ihr besonderes Interesse gilt, herausgegeben. Darüber hinaus bringt sie auch Märchen aus Okinawa über Riesen und Fantasiegestalten mit.
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Die Lesungen werden am Samstagnachmittag im Historischen Sitzungssaal von der diesjährigen Wildweibchenpreisträgerin Christine Nöstlinger
eröffnet, die sich und Ihre Arbeiten vorstellt. Ihr folgt der Märchenerzähler Salim Alafenisch, der mit seinem schriftstellerischen Werk Brücken zwischen Orient und Okzident schlagen will. Lebensweise der
Nomaden, ihre Kultur, die Konflikte zwischen Arabern und Israelis, all das sind seine Themen, die in seiner Biographie begründet sind. Als Sohn eines Beduinenscheichs in der Negev-Wüste geboren, als Hüter der Kamele
seines Vaters aufgewachsen, lernt er erst mit 14 Jahren lesen und schreiben, macht in Nazareth Abitur und geht der Sprache wegen nach England. Als Palästinenser bekommt er keinen Studienplatz und geht deshalb nach
Deutschland zum Studium der Soziologie, Psychologie und Ethnologie. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Heidelberg. Seine Bücher zeigen die Leiden der Beduinen und die Bedeutung der Erzählkunst, die z. B. in
"Amira" zum Maßstab für die Ehegattenauswahl wird.
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Die Lesungen am Sonntag beginnen mit Gerd Grein, der im Odenwald bestens bekannt ist vom Museum Otzberg, dem Keilvelterhof, den
Märchentagen - und überhaupt. Er erzählt in witziger Weise Märchen in Odenwälder Mundart.
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Ihm folgt Sigrid Früh, die bereits am Donnerstag beim Frauenfrühstück einen Vortrag hatte. Jetzt erzählt und liest sie Familienmärchen
und man darf sich auf ihre Geschichten freuen, denn so überzeugend, spannend und spontan können nur wenige ihre großen und kleinen Zuhörer faszinieren. Frau Saeki aus Japan beschließt den Reigen mit japanischen
Märchen.
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Ellen Schmid ist Mitglied des Organisationsteams der Reichelsheimer Märchen- und Sagentage, Arbeitsgruppe Autoren
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