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Neue Erkenntnisse und Sichtweisen Der Frankfurter Professor Heiner Boehncke liest in Reichelsheim aus seinem Buch „Literaturland Hessen“ (Autorin Sabine Koch, erschienen im Odenwälder Echo am 12.04.2006)
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Der eine beschreibt sie als „unübersehbaren Garten“ und fragt „Bedarf es mehr, um das Herz zu sanften Empfindungen zu stimmen?“ Der nächste nennt sie „vortrefflich“, ein dritter beklagt, dass sie „kleiner sei als ihr Ruf“, und ein vierter Autor bemerkt: „Beim Purpurlicht des Abends waren die Schatten besonders auf dem Grase wundersam smaragdgrün“.
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Die Rede ist von der hessischen Bergstraße und die Zitate stammen von den Reisenden Adolph von Knigge (1751-1796), Leopold Graf zu Stolberg (1750-1819), Joachim Heinrich Campe ((1746-1818) und Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Mit diesen Beispielen unterschiedlicher Landschaftswahrnehmung eröffnete Heiner Boehncke seine Lesung aus dem Buch „Literaturland Hessen“ im Historischen Rathaussaal in Reichelsheim.
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Der Professor für Literaturwissenschaft an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität und ehemalige Literaturredakteur beim Hessischen Rundfunk ist den Reichelsheimern kein Unbekannter mehr; Buchhändlerin Ellen Schmid, die zu der Veranstaltung eingeladen hatte, verwies auf seinen gelungenen Beitrag im Rahmen der letztjährigen Märchen- und Sagentage mit Piratenliedern und modernen Piratenmärchen.
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Am Donnerstagabend stellte Heiner Boehncke ein „Lesebuch zu dem großen Erkundungsprojekt „Literaturland Hessen“ vor, das gemeinsam vom Hessischen Rundfunk, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Hessischen Literaturrat, dem ADAC Hessen-Thürin- gen und der Sparkassenstiftung getragen wird. Zusammen mit Hans Sarkowicz, dem Leiter des hr2- Wellen-teams Kultur, dokumentiert er in dem vorliegenden Band „Leben und Schreiben der berühmten wie auch weniger bekannten Autorinnen und Autoren und geht den vielfältigen Spuren nach, die sie hinterlassen haben“.
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Aufmerksam und gespannt verfolgten die Zuhörer die mitreißende Mischung aus prägnanten Lesepassagen und lockerer, humorvoller Präsentation ergänzender Hintergrundinformationen, mit der Boehncke neue Erkenntnisse und Sichtweisen vermittelte. So hatte sich der eingangs erwähnte Goethe gerade ausführlich mit der Farbenlehre beschäftigt, als er seinen Eindruck von der Bergstraße wiedergab.
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Mit seiner Dokumentation will das Autorengespann Boehncke/Sarkowicz zwei Seiten gerecht werden: dem Land und der Literatur; es möchte zum Lesen, Reisen und Forschen anregen.
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Das Kloster Fulda beispielsweise ist bekannt als Fundort des „Hildebrandslieds“, das als erstes germanisches Heldenepos gilt. Doch wer hätte gewusst, dass diese Stätte damals eine „Kaderschmiede der Schreibzunft“ war?
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Der Name von Georg Büchner, 1813 in der Riedgemeinde Goddelau geboren, fällt immer spätestens im Zusammenhang mit der Verleihung des gleichnamigen, 1923 vom Volksstaat Hessen gestifteten Preises für hessische Künstler. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass der Literat und Namensgeber aus einer „Ausnahmefamilie“ stammt: Die jüngere Schwester Luise war um die Mitte des 19. Jahrhunderts weit über Darmstadt hinaus eine bekannte Persönlichkeit, die das Manifest für gleichberechtigte Erziehung verfasste „Die Frauen und ihr Beruf“ und sich als Mitbegründerin von Vereinen, die den Frauen Ausbildung und Erwerb ermöglichten, einen Namen machte. Der ältere Bruder Wilhelm entwickelt eine vereinfachende Methode zur Herstellung künstlicher blauer Farbe, des Ultramarins. Bruder Ludwig trat als Wissenschaftler mit seinem Hauptwerk „Kraft und Stoff“ hervor, und Bruder Alexander lehrte in Frankreich als Professor für vergleichende Literaturgeschichte. Kaum eine andere prominente Familie Deutschlands habe sich derart entschieden für Demokratie und Wohlfahrt der Bürger eingesetzt wie die Büchners, schreiben die Autoren.
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Und wie kommt die Verbindung nach Wald-Michelbach im Odenwald zustande? Antwort: Der 1853 in diesem Ort als Sohn eines Dorfschullehrers geborene Adam Karrillon,, später als literarischer Chronist dieser Region bekannt geworden, war der erste Büchner-Preisträger.
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Ebenso wurde der Zusammenhang zwischen der Ruine Frankenstein und der „Monstergeschichte“ von Mary Shelley aufgedeckt; hier erinnerten Boehnckes Schilderungen an die spannende Entwirrung eines Kriminalfalls.
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Die Zuhörer waren beeindruckt von den lebendigen und unterhaltsamen Ausführungen, und in einem lebhaften Dialog mit dem Publikum beantwortete der Referent noch etliche Zuhörerfragen. Bei den diesjährigen Reichelsheimer Märchen- und Sagentagen wird Heiner Boehncke das Buch „Mit den Grimms durch Hessen“ vorstellen.
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